Sehr geehrter Herr Dr. Christoph Krupp,


wir haben uns heute dazu entschlossen, Ihnen in Ihrer Gesamtverantwortung
als CEO der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) einen offenen Brief
zu einer Ihrer Liegenschaften, dem MUNA-Nord Gelände in Feucht/Bayern, zu
schreiben. Das Interesse der Öffentlichkeit am MUNA-Nord Gelände ist äußerst
groß, da sich diese Fläche seit ca. 70 Jahren zu einem wertvollen
Waldökosystem entwickeln konnte und deshalb auch einen mehrfachen
Schutzstatus (Natura 2000, Vogelschutzgebiet, Bannwald) besitzt. Wir werden
uns deshalb erlauben diesen Brief der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die Deutsche Bahn hat zusammen mit politisch und gewerkschaftlich
Verantwortlichen die Bevölkerung davon informiert, auf dem MUNA-Nord
Gelände ein ICE-Instandhaltungswerk zu planen, zu bauen und zu betreiben.
Für dieses ICE-Instandhaltungswerk wird derzeit eine erforderliche Fläche von
ca. 46 ha benötigt, wobei zusätzliche Flächen für weitere
Infrastrukturmaßnahmen noch nicht berücksichtigt wurden. Als Gegenleistung
wurde der Bevölkerung seitens der Bahn und Politik eine vollständige Räumung
dieses Geländes von allen militärischen Altlasten offeriert. Dieses Projekt der
Bahn wurde von der Regierung von Mittelfranken hinsichtlich seiner
Raumverträglichkeit geprüft und unter Auflagen für geeignet bewertet.
Aufgrund der Tatsache, dass für dieses Gelände bereits mehrere Gutachten
erstellt wurden und zudem ein kontinuierliches Monitoring gemacht wird, ist
aus unserer Sicht kein akuter Handlungsbedarf erforderlich. Dies wird auch
dadurch bestätigt, dass es bis heute keinerlei bemerkenswerte Vorkommnisse
auf dem MUNA-Nord Gelände gegeben hat. Berücksichtigt man in diesem
Zusammenhang die „Baufachliche Richtlinien Kampfmittelräumung (BFR KMR)“,
dann wird unsere Meinung dazu, dass keinerlei akuter Handlungsbedarf vorliegt
bestätigt.
„Bewertung und Gefährdungsabschätzung, Kategorisierung von
kampfmittelverdächtigen und kampfmittelbelasteten Flächen“
Kategorie 3: Die festgestellte Kampfmittelbelastung stellt zum gegenwärtigen
Zeitpunkt keine Gefährdung dar. Sie ist zu dokumentieren. Bei
Nutzungsänderungen und Infrastrukturmaßnahmen ist eine Neubewertung
durchzuführen. Daraus kann sich ein neuer Handlungsbedarf ergeben.
Hinzu kommt, dass es nach BImA-Angaben derzeit zu bundesweiten Engpässen
bei den verfügbaren Räumkapazitäten und damit zu Verschiebungen der
Umsetzung des Kampfmittelräumprogramms kommt. Diese Tatsache schließt
auch die vorhandenen Entsorgungskapazitäten der GEKA mit ein.
Aufgrund der aktuellen Planungen der Deutschen Bahn ist eine vollständige
Räumung des MUNA-Nord Geländes nicht mehr vorgesehen. Stattdessen wird
auf dem Gelände aktuell nur nach einem „Filetstück“ von ca. 46 ha für das ICEInstandhaltungswerk gesucht. Die Konsequenz daraus ist, dass dadurch auch in
Zukunft erhebliche Risikopotenziale für den Bürger und die Umwelt bestehen
bleiben, was durch zwei einfache Beispiele leicht nachvollziehbar ist.
Auf dem MUNA-Nord Gelände wurde ein Sicherungsbauwerk, der sogenannte
Sarkophag, errichtet, der die hochtoxischen Kampfstoffe „Lost“ und „Clark 1“
enthält. Dieser Sarkophag wurde in einem geschlossenen Waldsystem so
errichtet, dass er im Wesentlichen nur den Belastungen durch
Witterungseinflüsse standhalten muss. Dagegen sind aus unserer Sicht keinerlei
zusätzliche Belastungsanforderungen durch unmittelbar angrenzende
Räumungsarbeiten, die damit verbundenen erheblichen Erdbewegungen sowie
im Betriebsfall des ICE-Werks in nur ca. 40 m Entfernung vorbeifahrende ICEZüge berücksichtigt.
Ein weiteres Beispiel ist die derzeitig hohe Belastung des Grundwassers mit Per
– und polyfluorierten Chemikalien (PFC). Unter Berücksichtigung des PFCLeitfadens (Baufachliche Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz) kommt
man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass es auch dafür derzeit keine
nachhaltige Problemlösung gibt.
Allein diese beiden Beispiele zeigen, dass die Ziele der BImA, die sich nach
eigenen Angaben in einer besonderen Verantwortung sieht um hohe
Qualitätsstandards und damit verbesserte Ergebnisse in der
Kampfmittelräumung zu erreichen, nicht erreicht werden. Ein weiteres Ziel der
BImA, die gefahrlose Nutzung der Liegenschaft nach der Räumung, wird
ebenfalls nicht erreicht.
Derzeit finden auf dem MUNA-Nord Gelände umfangreiche Grundwasser- und
Bodenuntersuchungen statt. Dadurch sollen einerseits die vorhandenen Risiken,
verursacht durch militärische Altlasten, besser bewertet werden, andererseits
eine verlässliche Kalkulations- und Terminbasis für mögliche Räumungs- und
Entsorgungsarbeiten gefunden werden.
Die in den „BFR KMR“ empfohlenen Kostenschätzungsmodelle, die Bewertung
der Kampfmittelrisiken, sowie die daraus abgeleitete fachtechnisch priorisierte
Zeit- und Maßnahmenplanung sind aber auf der Basis der tatsächlichen
Planungsaktivitäten der Deutschen Bahn und der bisher durchgeführten
Untersuchungen vor Ort nicht aussagekräftig.
In der Gesamtbetrachtung ist der Faktor Zeit ein entscheidendes Kriterium für
das Erreichen des von der Deutschen Bahn angestrebten Termins 2028. Aus
unserer Sicht ist dieser Termin als Termin für einen genehmigten Betrieb des
ICE-Instandhaltungswerks nicht erreichbar. Die Begründung dafür liefert der mit
einem hohen Risiko bewertete Aufwand für eine gefahrlose Nutzung der
Liegenschaft, sowie alle weiteren zusätzlich erforderlichen Planungs- und
Baustellenaktivitäten. Analog zum Terminrisiko sehen wir auch ein enorm hohes
Kostenrisiko, das auch durch eine baubegleitende Kampfmittelräumung nicht
reduziert werden kann.
Zusammengefasst sprechen deshalb folgende entscheidenden Argumente
gegen die Planung, Errichtung und den Betrieb eines ICE-Instandhaltungswerks
auf dem MUNA-Nord-Gelände:
➢ Unvollständige Klärung der Risikopotenziale als zuverlässige Basis für die
Bewertung der Kampfmittelräumung;
➢ Das daraus resultierende Termin- und Kostenrisiko bis zum Erreichen der
Betriebsbereitschaft 2028;
➢ Erhebliche Zunahme des Gefahrenrisikos für die Bevölkerung und die
Umwelt durch den Verbleib des Sarkophags;
➢ Zerstörung eines mehrfach geschützten Waldökosystems (Natura 2000,
Vogelschutzgebiet, Bannwald), verbunden mit den dadurch verursachten
nachhaltig negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung und Natur.
Unter Berücksichtigung aller von uns genannten Argumente appellieren wir
deshalb an Sie, die Bereitstellung der im Besitz der BImA befindlichen
Liegenschaft MUNA-Nord für ein ICE-Instandhaltungswerk der Deutschen Bahn
nochmals kritisch zu überdenken. Aus unserer Sicht muss es einen alternativen
industriellen Standort im süddeutschen Raum geben, der sich möglicherweise
sogar noch im Besitz der BImA befindet.


Mit freundlichen Grüßen


gez. Herbert Fahrnbauer, Feucht, 07.02.2023
(für das Bündnis „Kein ICE-Werk im Reichswald“ und BI-Reichswald bleibt

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