Leserbrief zur Meinungsäußerung „ Doppelmoral“ von Hr. Jürgen Wechsler im ST vom 28.Oktober 2021


Sehr geehrte Damen und Herren,


Hr. Wechsler hätte bei der Aufzählung der Doppelmoralisten auch die Deutsche Bahn
benennen können, wenn er sich vorher nur etwas tiefer mit der Problematik „Bau eines ICE-Werks in einem gesetzlich geschützten Bannwald“ befasst hätte. Realität ist, dass sich die DB
in einem Kohlestromvertrag verpflichtet hat, ca. 400 Megawattstunden von dem
Steinkohlekraftwerk Datteln 4 abzunehmen. Die Steinkohle wird in diesem Fall aus dem
Ausland importiert. Der Fernverkehr der DB ist auch nicht so ökologisch grün wie behauptet
wird, da er mit 32 gr. CO2 pro Personenkilometer genau so viel emittiert wie ein Fernreisebus
(Quelle Umweltbundesamt).
Dass mit keinem Wort das Thema Waldrodungen an allen 3 verbliebenen Standorten erwähnt
wird, ist womöglich eine bewusste Unterlassung. Im Jägersee-Forst wären weit mehr als 100
ha Wald betroffen, der nicht nur CO2 bindet, Sauerstoff für Mensch und Tiere emittiert,
sondern auch die Temperatur in den Sommermonaten runterkühlt und für die Bildung von
Grundwasser sorgt.
Wenn Hr. Wechsler von nur 2% der Einwohnerzahl von Feucht spricht, die protestierend in
Erscheinung getreten sind, dann ist das rein rechnerisch richtig, wenn man alle Ortsteile von
Feucht einbezieht und auch die Babys und Kinder dazu rechnet. In Röthenbach b. St. W. (mein
Wohnort) wurden bisher mehr als 700 Unterschriften-Tendenz steigend- von
unterschriftsberechtigten Bürgern gesammelt. Das sind ca. 35%.
Der für den Bundestag für unseren Wahlkreis gewählte Kandidat hat sich während einer
Kundgebung in Harrlach eindeutig gegen ein ICE-Werk in Harrlach ausgesprochen, lässt aber
seine Position gegenüber den Standorten, die unsere Gemeinde betreffen, offen.
Weitere Doppelmoralpositionen, die Sie aufführen, kann ich nicht seriös beurteilen, da ich
darüber zu wenig Informationen über die örtlichen Gegebenheiten habe.
Alle Bürgerinitiativen der verbliebenen Standorte richten sich nicht grundsätzlich gegen ein
ICE-Werk, sondern wehren sich, dass kontraproduktiv dafür bis zu 100% Bannwald gerodet
werden soll und besonders nachts zusätzliche Lärmquellen entstehen, die krank machen.
Im Hambacher Forst wurde durch Proteste erreicht, dass die letzten verbliebenen 200 ha Wald
gegenüber der Expansion des Kohleabbaus gerettet wurden. 1970 gab es dort noch 4000 ha
Wald. Wir sollten nicht nach Brasilien wegen der dortigen Waldrodungen schauen, sondern vor
der eigenen Haustüre kehren.


Mit freundlichen Grüßen


Bernhard Nitsche

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