Am 13.04.2023 teilte die DB mit, dass sie nicht weiter beabsichtigt, ein ICE-Instandhaltungswerk an den Standorten Muna, Jägersee oder Harrlach zu bauen.

Am Anfang stand die Idee, das Vorhaben in (nicht bei) Nürnberg zu errichten. Nach kurzer Euphorie einiger weniger einflussreicher Personen der Stadt, folgte schnell die Ernüchterung, der kleinlaute Rückzieher aus Fischbach/Altenfurt, die kompromisslose Ablehnung des geeigneten Standorts Hafen und ansonsten keine aktive Beteiligung an weiteren Diskussionen. Es wäre ja kein Nürnberg-Thema (mehr).

Dann, noch vor dem offiziellen Raumordnungsverfahren, deutlich vernehmbares Gegrummel: Einstimmige und parteiübergreifende Beschlüsse von Gemeinderäten und dem Kreistag Roth, Bürgerinitiativen gründeten sich und der Bezirksregierung wurden ca. 50.000 (!) Unterschriften gegen das Vorhaben übergeben. Die DB zeigte sich von alledem unbeeindruckt. „Wir gehen mit drei Standorten ins Raumordnungsverfahren und dann entscheiden WIR, wo WIR bauen“, so der Projektleiter.

Für das Raumordnungsverfahren reichte die DB die Antragsunterlagen bei der zuständigen Bezirksregierung von Mittelfranken ein. Verfahrensbeteiligte (u. a. die Stadt Nürnberg, die Landratsämter Roth und Nürnberger Land, die Stadt Roth, die Märkte Feucht und Wendelstein sowie Fachbehörden, Verbände und sonstige Träger öffentlicher Belange) gaben ihre Stellungnahmen pro/contra ab. Bürger formulierten Einwendungen und begründeten diese fundiert. Die DB hatte im laufenden Verfahren Zugang zu all diesen Informationen und konnte darauf eingehen.

Auf dieser Basis erfolgte dann die Beurteilung durch unabhängige Experten und die Bewertung der Regierung von Mittelfranken. Es ging also NICHT um Widerstand aus der Bevölkerung, um persönliche Befindlichkeiten, die Ablehnung der Verkehrswende an sich, sondern um Argumente und die Einhaltung von Gesetzen (z. B. Waldgesetz, Natura2000, FFH-Schutzgebiete) und um eine mögliche Gefährdung der Bevölkerung!

Die DB hat nicht darlegen können, dass an diesen Standorten mehr Nutzen als Schaden entstehen würde, und drohende Gesetzesverstöße arrogant ignoriert. Auch die Stadt Nürnberg brachte keine wirklich überzeugenden Argumente vor. „Nice to have“ heißt nicht „Must have“ und reicht nicht aus, um gravierende Naturzerstörung und negative Einflüsse auf das lokale Klima zu rechtfertigen.

Das Ergebnis ist bekannt: Zwei der drei Standorte fielen mit Pauken und Trompeten durch und der dritte wurde so starken Auflagen unterworfen, dass eine Realisierung dort eigentlich nicht mehr möglich ist. Mit anderen Worten: Der DB wurde die Möglichkeit geschenkt, sich einigermaßen gesichtswahrend aus dem Vorhaben zurückzuziehen. Diesen Notausgang hat die DB nun genommen.

Bemerkenswert die Begründungen: Der Projektleiter geht davon aus, dass die DB für das Vorhaben an der Muna „kein Baurecht bekommen“ würde. Das heißt nichts anderes, als dass es nicht genehmigungsfähig ist.

Und der Generalbevollmächtigte für Bayern: „Wir haben schlicht keinen geeigneten Standort…gefunden“. Die DB hat also mindestens zwei Jahre an der falschen Stelle gesucht weil sie selbst die Kriterien für die Suche zu eng gefasst hat. Dazu kamen schwere Planungs- und Projektmanagementfehler und ein Auswahlprozess, der von Anfang bis Ende Murks war. Bei wem ist nun die Schuld an dem Desaster zu suchen?

Wie geht es jetzt weiter?

Erstens: Wir werden hier weiter ICE fahren können. Wetten dass? Zweitens: Die DB wird ihr Instandhaltungskonzept an die Realität anpassen – nicht umgekehrt. Drittens: Die DB wird den Deutschland-Takt bis 2070 hinkriegen. Falls nix dazwischenkommt.

Viertens: Dieses ICE-Werk (und andere mehr) werden andernorts entstehen und die erforderlichen Kapazitäten geschaffen. Es gibt also keinen Rückschlag für die Verkehrswende. Die Planungen gehen nun in Richtung außerhalb Bayerns. Ob dies einer Trotzreaktion geschuldet ist oder einem Machtwort der Konzernzentrale, weil man dort ein weiteres Krisenprojekt in Bayern neben der Stammstrecke in München und der Anbindung an den Brenner-Basistunnel unbedingt vermeiden will?

Die Entscheidung der DB hat auch einige emotionale und oberflächliche Äußerungen hervorgerufen. Krokodilstränen und gespielte Empörung mögen wegen bevorstehender Wahlen parteitaktisch verständlich sein, komplexen Sachverhalten werden sie aber nicht gerecht und neue Argumente gab es auch nicht. Ist Ihnen auch aufgefallen, dass in keiner Stellungnahme das Wort „weil“ vorkam?

Einige Beispiele aus der Nürnberger Lokalpresse und von Berichten des Bayerischen Rundfunks:

Dass das ICE-Werk nicht hier mitten in den Bannwald gebaut wird, ist keine „Katastrophe“. Eine solche wäre ein Ereignis mit verheerenden Folgen. Menschen würden ihr Hab und Gut verlieren, körperliche Verletzungen oder gar den Tod erleiden. Nichts davon ist hier der Fall und der Begriff daher vollkommen unangemessen!

Und weiter: „Überall immer dagegen zu sein, ist einfach kein Konzept“. Stimmt. Aber hier war niemand „einfach nur dagegen“. Es wurden vielmehr viele überzeugende Argumente vorgetragen und die Einhaltung von Gesetzen gefordert.

Es war sogar davon die Rede, dass eine Chance vertan worden sei, die Metropolregion zum „Gesicht der Verkehrswende“ zu machen. Du meine Güte, was soll das denn sein? Die Anwohner von Köln-Nippes würden wohl eher von einer Fratze sprechen…

Die IHK bedauert, dass „mehr Verkehrsverbindungen außerhalb der Hauptverkehrs-zeiten möglich gewesen wären“. Ja, schade: Fast leere Züge fahren durch die Lande und verbrauchen viel Energie. Das soll die Verkehrs- und Energiewende sein?

Und im selben Atemzug politische Einmischung (des politischen Gegners) zu beklagen und mehr politische Unterstützung einzufordern, das ist fast schon komisch…

Eher ein Ärgernis dagegen die Berichterstattung und Kommentierung einer ansonsten renommierten Zeitung aus dem Süden Deutschlands. Da ist die Rede von „eingeschüchterten Kommunalpolitikern“, von einer „überalterten Gesellschaft, die ihre Ruhe haben will“, Proteste gegen das ICE-Werk, gegen Windräder oder PV-Anlagen werden wild durcheinander geworfen, mal wieder der ewige „Nein-Sager“ bemüht und überhaupt müssten Projekte ja „irgendwo“ realisiert werden und dass es „ohne Kollateralschaden nicht möglich“ sei. Sehr unreflektiert, herabwürdigend, längst widerlegt oder schlicht falsch. Und dann darf dann auch die persönlich gefärbte Abrechnung mit dem Bund Naturschutz nicht mehr fehlen. Die eigene, einseitige Meinung wird als maßgeblich und allein richtig hingestellt und Gegenargumente bleiben unerwähnt. Seriöser Journalismus soll den Leser zum Denken anregen, es ihm nicht abnehmen. Dafür gibt es eine Zeitung mit großen Buchstaben.

Es gab aber auch positive Beispiele einer objektiven Berichterstattung, die verständlich erklärt, dass die Rodung von Wald ein fatales Signal in Zeiten des Klimawandels ist, der Grundsatz „Wirtschaft vor Umwelt“ nicht mehr uneingeschränkt gilt und dass die Verkehrswende nicht auf Kosten der Umwelt und der Menschen gehen darf.

Zuletzt noch eine persönliche Bemerkung und die richtet sich – ja zugegeben – an eine Minderheit: Für den Fall, dass es DB-Angestellte gibt, für die eine interne Versetzung geplant oder vollzogenen war oder die von extern eingestellt wurden, dann hoffe ich für sie, dass sich die DB als verantwortungsvoller Arbeitgeber erweist und ihnen eine gute andere Perspektive ermöglicht. Das wünsche ich jedem Betroffenen von Herzen.

Andreas Teichert

Reichswald bleibt e. V.

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