Von Sabine Kronmeister und Herbert Fahrnbauer

Im Rahmen der aktuellen Diskussion über die geplante Errichtung und den Betrieb eines ICE-Instandhaltungswerkes auf dem Gelände Muna-Nord oder Jägersee-Forst spielt das Gefahrenpotenzial des Sarkophags eine wichtige Rolle.

Denn immer wieder ist öffentlich seitens einiger (Kommunal-)Politiker zu hören, dass sie die Räumung durch die DB AG oder die BIMA (Eignerin des Grundstücks) eben dieses Sarkophags wünschen, um die Gefahr durch Kampfmittel-Altlasten für die umliegenden Gemeinden zu bannen. Grundsätzlich ist das, außer, dass wir den Preis dafür mit der inakzeptablen großflächigen Zerstörung des für uns wichtigen Bannwaldes bezahlen sollen, eine gute Idee. Aus Sicht der BI´s Wendelstein und Feucht existiert diese „historische Chance” aber gar nicht mehr! Und vermutlich gab es sie seitens der Bahn auch nie, wenn man von Anfang an genau hingehört hätte.

Alle Leser, die sich bisher wenig damit beschäftigt haben, sollen deshalb hiermit einige Fakten zum Thema MUNA und Jägersee-Forst erhalten.

Der Sarkophag im Gebiet Muna-Nord (NATO23) wurde gebaut, nachdem in Grundwasserproben eine chemische Substanz gefunden wurde, die im Kampfstoff Lost enthalten ist. Lost, auch bekannt unter dem Namen „Senfgas“, ist ein hochwirksames Hautgift/Kontaktgift, das seit dem 2.Weltkrieg auch unter dem Namen „Gelbkreuz“ bekannt ist. Die Errichtung dieses Sarkophags wurde im Jahr 2009 weitgehend abgeschlossen. Aus alten Zeitungsberichten ist zu entnehmen, dass sich die politisch Verantwortlichen für den Bau dieses Sarkophags entschieden haben, da eine komplette Bergung dieser mit Lost gefüllten „Blechbüchsen“ damals als zu gefährlich erachtet wurde.

Auch heute, nach so vielen Jahren, machen sowohl die politisch Verantwortlichen als auch der Bauherr für das ICE-Instandhaltungswerk Deutsche Bahn einen „riesigen Bogen“ um die Beseitigung des Sarkophags. Die Deutsche Bahn möchte nur die absolut notwendige Fläche von ca. 46 ha von den militärischen Altlasten befreien, der Sarkophag mit dem größten Gefahrenpotenzial bleibt dabei unangetastet. Genau deswegen hat die Bahn ihren Untersuchungsraum für beide Standorte MUNA und Jägersee-Forst verkleinert, um den Sarkophag auszuschließen. Die Bahn räumt und bezahlt laut eigener Aussage nur den Grund, den sie später auch bebauen wird. So kommt es immer wieder zu den falschen Gerüchten, das Werk würde jetzt kleiner geplant werden oder dass die Bahn überhaupt noch eine Räumung des Giftgas-Sarkophags in Betracht zieht. Das tut sie nicht! Bestätigt sehen wir unsere Einschätzung durch den neuesten Pressebericht in der NN vom 11.02.2022, in dem öffentlich wird, dass die Bahn wohl eine erste Einschätzung zur Belastbarkeit des Sarkophags durch Erschütterungen an eine private Firma in Auftrag gegeben hat. Wie gesagt die Bahn, warum nicht die BIMA oder Experten der Bundeswehr als staatliche neutrale Stelle?

Und wenn Gemeinderäte aus Wendelstein immer noch meinen, der Bahn diesbezüglich „Druck“ machen zu können, so irren sie. Wir werden hier dann ein ICE-Werk, egal auf welchem der beiden Areale, stehen haben, dessen Bauarbeiten die Sicherheit des Sarkophags gefährden können und dessen mehrere hundert Tonnen schwere Züge nahe am gefährlichen Sarkophag tagtäglich vorbei fahren werden. Denn die Bahn plant die Wendeschleifen der ICE-Züge auf beiden Standorten nahe entlang des Sarkophags jeweils einmal von Norden und einmal von Süden her. Das gefährliche Bauwerk selbst wird laut DB-Plänen unangetastet bleiben. Siehe Karte!

Bei der Bewertung der Lebenszeit dieses Sarkophags wurde seitens der Erbauer sicherlich berücksichtigt, dass dieser in einem geschützten Wald platziert ist.  Was passiert aber mit dieser, wenn der geschützte Wald plötzlich ein Industriestandort wird? Welchen Einfluss auf die Lebensdauer und Stabilität Sarkophags haben die enormen Erdbewegungen während der Bauzeit bzw. die kontinuierlichen Erschütterungen durch den Zugverkehr während des Betriebes? Wie wirken sich all diese Veränderungen auf die Stabilität des Sarkophags aus? Wie wird sichergestellt, dass während der umfangreichen Räumungsarbeiten für die erforderliche Fläche von ca. 46 ha der Sarkophag nicht in Mitleidenschaft gezogen wird? Was passiert, wenn bei den Bauarbeiten Detonationen von Kampfmitteln erfolgen sollten? Weitere dringende Fragen ergeben sich, wenn das ICE-Instandhaltungswerk erst einmal in Betrieb ist. Wie sieht dann ein mögliches Evakuierungskonzept für die Beschäftigten im Werk, für die umliegenden Wohnorte Feucht, Wendelstein und Nürnbergs Süden, das Gewerbegebiet Feucht oder die Weissensee-Siedlung aus?

Aus dem Jahr 1946 wissen wir, welch weitreichende Folgen massive Explosionen auf der MUNA haben können. Tagelang brannte der Wald und Scheiben barsten noch in weit entfernten Gemeindeteilen von Wendelstein und Feucht. Unvorstellbar, was eine entweichende Giftgaswolke für eine Gefahr mit sich brächte. Und zwar nicht nur in unmittelbarer Umgebung. Wie sieht ein Brandschutzkonzept aus, das in trockenen und heißen Sommermonaten insbesondere für die nahegelegenen nicht geräumten Muna-Flächen erforderlich wäre?  Fragen über Fragen, die bisher keine zufriedenstellenden Antworten erkennen lassen.

Die politischen Parteien und deren verantwortliche Politiker, die sich seit der Errichtung des Sarkophags strukturell nicht wesentlich verändert haben, fordern diese Antworten aktuell „mit Druck“ von der Deutschen Bahn ein.

Die Projektverantwortlichen der Deutschen Bahn haben aber dazu bisher ebenfalls keine belastbaren Antworten geliefert. Es sind dazu weder die erforderlichen Gutachten noch fachkundige Untersuchungen öffentlich bekannt, die eine transparente Risikoabschätzung zuließen und damit für die Bürger die  Entscheidung für eine großflächige Bebauung des Gebietes Muna-Nord oder Jägersee-Forst nachvollziehbar machen würden.

Um es abschließend klar zu sagen: Alle bisherigen Ideen und Forderungen der beteiligten Politiker bezüglich einer Machbarkeit zur MUNA-Räumung beziehen sich auf Aussagen seitens der DB, die in unseren Augen nur „Köder“ waren, um Politiker und Bürger milde für ein ICE-Werk im gesetzlich geschützten Bannwald zu stimmen. Es liegen bis heute keine öffentlichen Gutachten seitens der BIMA, der Firmen die den Sarkophag gebaut haben, oder anderer Sachverständiger für Kampfmittelräumung vor, die eine auf Fakten basierende Einschätzung zur Machbarkeit einer Sarkophag-Räumung zulassen. Genauso wenig sind dem Bürger auf Fakten oder professionellen Untersuchungen basierende Gutachten bekannt, die ihm mit Gewissheit sagen können, dass die Sicherheit und Haltbarkeit des Sarkophags nicht durch Baumaßnahmen oder Erschütterungen später vorbeifahrender Züge gefährdet wird. Leider lassen sich manche Politiker immer wieder zu nicht fundierten Aussagen bezüglich der MUNA hinreißen, um einstige Beschlüsse zu rechtfertigen, die nie auf Fakten sondern nur auf Wünschen basierten.

Wir seitens der BI´s Wendelstein und Feucht versuchen seit Monaten von der BIMA und anderen staatlichen und kommunalen Stellen Gutachten bezüglich einer realistischen Sachlage zur MUNA-Räumung zu erhalten. Bis heute wird uns gesagt es lägen keine Gutachten vor. Oder gibt es Gutachten und diese werden uns Bürgern, die es eigentlich am dringendsten betrifft, vorenthalten? Genauso wie seit Jahrzehnten keine Ergebnisse aus regelmäßigen Wasserproben aus den stillgelegten Brunnen der MUNA veröffentlicht werden.

Aus unserer Sicht sind es aber genau diese Unklarheiten, die zuallererst geklärt werden müssen, bevor eine DB überhaupt mit Rücksicht auf die Bevölkerung diese von ihr bevorzugten Standorte in ein Raumordnungsverfahren einbringen darf.

Die Antwort auf die Kernfrage nach dem Umgang mit dem Sarkophag bleibt deshalb so lange offen, bis alle Fragen von Fachleuten abschließend geklärt sind. So lange kann das für uns Bürger nur heißen: NEIN zur MUNA und Jägersee-Forst, weil wir weder mit unserer Sicherheit noch unserer Gesundheit oder unserem klimaschützenden Bannwald leichtfertig von Großkonzernen und Politikern spielen lassen.

Und ja, das Thema Sarkophag muss zukünftig verantwortungsvoll angegangen werden. Aber bitte ohne erpresserische, klimaschädliche Bannwaldrodungen! Darauf haben wir als Steuerzahler ein Recht! Hier sollte der Staat unmissverständlich aufgefordert werden, seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgern nachzukommen. Allerspätestens dann, wenn die Haltbarkeit des Sarkophags sich in ca. 30 Jahren dem Ende zuneigt. Bis dahin kann jeder vernünftig denkende Bürger nur gegen den unsicheren Bau eines ICE-Werks um den Giftgasbunker herum und klimaschädliche Rodungen in unserem Bannwald stimmen. Und zwar auf beiden Arealen, da beide die Problematik des Sarkophags durch vorbeiführende Gleise beinhalten. Sein Veto gegen solch unverantwortlichen Umgang mit unserer Sicherheit, Gesundheit und Natur kann jeder über das Schreiben von Einwendungen an die Regierung von Mittelfranken im jüngst gestarteten Raumordnungsverfahren einlegen. Denn der Kampf mit der DB AG vor der Regierung Mittelfranken um unseren Wald hat bereits offiziell begonnen!

Weitere Informationen und Hilfestellungen dazu im Kontakt unter

www.reichswald-bleibt.de

Categories:

Tags:

Comments are closed